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Fremde Länder, fremde Sitten. Und kaum ein Land in Europa kann so fremde Sitten vorweisen, wie Rumänien. Nachdem ich seit nunmehr 4 Jahren mit einer gebürtigen Rumänin verheiratet bin und das Land zwischen Karpaten, Donaudelta und Schwarzmeerküste zwei Mal bereist habe, kann ich einige Geschichten erzählen. Von der Hochzeit in Constanta direkt am malerischen Schlangensee über meine Tätowierung ohne Bargeld sind meine Rumänienerinnerungen zahlreich. Das wohl außergewöhnlichste Happening aber waren wohl die Ostern in Rumänien, die ich 2007 miterleben konnte.

Ostern in Rumänien

Ostern ist nicht gleich Ostern. Das fängt mal beim Datum an. Rumänien ist ein griechisch-orthodoxes Land, sprich, sie gehen bei den kirchlichen Feiertagen nach einem anderen Kalender vor. Wirklich spannend und exotisch sind aber die Gebräuche zu Ostern in Rumänien. Während man hierzulande für die Kinder Eier versteckt, sich seinen Cholesterinspiegel mit eben diesen plus Osterpinze, Wein und Bier als Belohnung für die überstandene Fastenzeit verdirbt und frisch, fromm fröhlich und frei den Tag verbringt, läuft das Osterfest dort komplett anders ab.


Rumänisches Ostern ist unser Allerheiligen

Man geht ans Grab. Was bei uns Allerheiligen und Allerseelen am Programm steht, wird am Schwarzen Meer zu Ostern zelebriert. Nur mit etwas mehr Pep und feuchtfröhlich. Wein statt Weihrauch, Kuchen statt Hostie. Zu Ostern sollen die Armen gespeist werden am Friedhof. Und getränkt. Beim Bäcker holten wir einen Sack voll ziemlich fettiger aber leckerer Gebäckstücke, dazu Wein, selbstgemacht aus dem Anbau vom Opa meiner Frau. Also nicht Wein im herkömmlichen Sinn mit 10-12 Prozent sondern ein rotes, starkes Etwas in Plastikflaschen, einer Art Traubenlikör in zwei Liter Flaschen. Schmeckt gut, steigt einem aber auch spätestens nach dem zweiten Achterl zu Kopf steigt wie ein Düsenjet.

Acht Uhr: Zeit für Wein und Schnaps

Um acht Uhr genehmigte ich mir gemeinsam mit Großvati das erste Glas Wein. Danach einen selber gebrannten Schnaps, den ich jedes mal zu heben habe wenn mich der sehr fitte ältere Herr sieht. „Aaaaah, Stoitschkow“, schreit er jedes Mal bei meinem Anblick in Anspielung auf meinen Vornamen, der in Bulgarien Hristo wäre. Dann werden die Tassen gefüllt – und geleert. Sehr gut, der Tag war gerettet.

Wie zu Allerheiligen bei uns wird in Rumänien zu Ostern das Grab geschmückt und aufgeräumt um der Verstorbenen zu gedenken, alles sehr gesittet. Zumindest so lange, bis der Pfarrer kommt. Dann geht´s rund. Der bärtige Mann beginnt zu singen, mit lauter Stimme vor jedem einzelnen Grab. OK, schöne Stimme hat er ja, warum auch nicht. Etwas ungewohnt allerdings ist die Segnung des Grabs. Der Pfarrer nimmt die Weinflasche und beginnt, den Wein über dem Grab zu verschütten. Nicht träufeln, sondern verschütten. Literweise!


Die Speisung des armen Österreichers Hristo Stoitschkow

Natürlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als das Startglas des starken Weins intus. Eh klar, Weihwasser war grad keins zur Hand und durstig war ich ja nach dem Schnaps. Und dazugehören tut´s sowieso. Habe ich schon erwähnt dass man zu Ostern die Armen speist? Als schlanker Österreicher mit wässrig-versoffenen Augen und verdutzter Miene angesichts der Vorgänge rund um meinen benebelten Kopf muss ich den durchschnittlich wohlgenährten Rumänen wohl besonders arm vorgekommen sein. Mehrmals wurde ich fleißig gespeist. Und getränkt. Immer wieder kamen Leute zu mir, belaberten mich auf rumänisch und drückten mir Wein, Brot und Kuchen in die Hand. So muss Woodstock gewesen sein! Brav nicken, immer schön lachen, und trinken, trinken, trinken. Eine Dame meinte gar, ich schaue ihrem verunglückten Sohn fast schon unheimlich ähnlich und gab mir unter zahlreichen Segnungen und Streicheleinheiten einen Plastiksack voll Risotto mit auf den weiteren Lebensweg. Prost Mahlzeit.

Ich habe es überlebt. Ich kann mich, wie man merkt, sogar noch an den allergrößten Teil des denkwürdigen Vormittags meines rumänischen Ostersonntags erinnern. Auch mein Magen hat die Mischung aus Wein, Schnaps, Brot, Gebäck und Risotto überstanden. Und irgendwann werde ich den Ritus mit dem Alkohol am Grab bei uns zu Allerheiligen zelebrieren. Ein Livebericht aus der Innsbrucker Ausnüchterungszelle via Facebook ist euch gewiss, liebe Leser.